Mit den ersten frostfreien Nächten des Jahres beginnen viele Amphibien, ihr Winterversteck zu verlassen und begeben sich auf die alljährliche Wanderung zu ihren Laichgewässern. In Einzelfällen können sie dabei Distanzen von mehreren tausend Metern zurücklegen – zu dieser Jahreszeit eine beachtliche Leistung für ein Tier, das seine Körpertemperatur nicht selbst regulieren kann. Während viele der Amphibien des Nachts von uns völlig unbemerkt über Felder, Wiesen und durch Wälder ziehen, treffen doch manche auf Straßen mit ihrem vom Tag erwärmten Asphalt – ein willkommener Zwischenstopp, um den Stoffwechsel für die nächste Etappe anzukurbeln. Nur leider begegnen sie dort auch hin und wieder uns in unseren hochmotorisierten Gefährten, die teils unbewusst oder bewusst das Sterben unter den Reifen in Kauf nehmen. Da die meisten von uns nicht bereit sind, freiwillig einen Umweg zu fahren, müssen neben den ebenfalls unpopulären Straßenvollsperrungen andere Lösungen her.

Eine davon sind Amphibienschutzzäune („Krötenzäune“), wie sie auch der FUN Hondelage seit vielen Jahren an der L639 zwischen Wendhausen und Essenrode sowie an der Tiefe Straße/L635 zwischen Hondelage und dem Flughafen betreibt. Dort werden die Tiere mithilfe von Barrieren am Passieren der Straße gehindert und in regelmäßigen Abständen in die im Boden eingelassenen Sammeleimer gelotst. Täglich werden diese Eimer von ehrenamtlichen Helfern kontrolliert. Alle gefundenen Tiere werden statistisch erfasst und sicher auf die andere Straßenseite gebracht. Um Helfende und Geholfene in der dunklen Jahreszeit nicht zu gefährden, ist an diesen beiden Strecken die Geschwindigkeit in den entsprechenden Abschnitten reduziert.

Auf der anderen Straßenseite angekommen können die geretteten Tiere wieder an der wichtigsten Phase des Jahres teilnehmen: der Fortpflanzung. Während die Männchen der Frösche und Kröten sich bisweilen bereits auf dem Weg an das Weibchen klammern, ist es bei Salamandern und Molchen etwas differenzierter. Aber der Reihe nach: In Deutschland gibt es 21 Amphibienarten, wovon immerhin 13 in Braunschweig vorkommen (zum Vergleich: in Europa gibt es 95 beschriebene Arten, weltweit ca 8.800!). In Braunschweig am häufigsten anzutreffen ist die Erdkröte (Foto). Ein Weibchen kann auf ihrer Wanderung bereits mehrere tausend unbefruchtete Eier in meterlangen Laichschnüren mit sich tragen. Kommt es am Gewässer zum Ablaichen, erhält das Männchen auf dem Rücken den Vorzug, die meisten Eier nach der Abgabe extern zu befruchten. Dies kann allerdings auch durch weitere Männchen erfolgen; das Geschlechterverhältnis am Gewässer liegt häufig deutlich zu Ungunsten der Weibchen.

Ähnlich verläuft die Paarung bei den Braunfröschen – dazu zählen Gras-, Moor- und Springfrosch – die außerhalb der Paarungszeit alle unscheinbar braun gefärbt sind und sich nur schwer voneinander unterscheiden lassen. Wie auch die Erdkröte zählen sie zu den sogenannten „Explosivlaichern“, das heißt, Ablage und Befruchtung der Eier finden innerhalb weniger Tage oder Nächte statt. Besonders bekannt sind die Balzarenen der Moorfrösche, in denen die Männchen mit wildem Geblubber um die Weibchen konkurrieren und für kurze Zeit auffallend blau gefärbt sind. Dieses Naturschauspiel lässt sich jährlich wiederkehrend etwa ab der zweiten Märzhälfte unter anderem im Naturschutzgebiet Riddagshausen beobachten.

Neben den wandernden Fröschen und Kröten, die systematisch zur Ordnung der Froschlurche (Anura) gezählt werden, finden sich in den Sammeleimern auch träge Vierbeiner mit langem Schwanz. Das sind Molche und Salamander, die entsprechend als Schwanzlurche (Caudata oder Urodela) bezeichnet werden. Während es in Braunschweig keine bekannten Salamander-Populationen gibt – dafür lohnt sich ein Ausflug in den Elm – sind doch alle vier heimischen Molcharten in der Region vertreten. Molche wechseln nicht nur zweimal im Jahr zwischen Wasser und Land, sondern verändern dabei auch ihre Tracht. Die Fortpflanzung unter Wasser wird durch eine aufwendige Choreografie eingeleitet, wobei das Weibchen zuvor durch chemische Lockstoffe (Pheromone) des Männchens angelockt wurde. Die Eier werden dann unter Wasser an Pflanzen abgestreift, danach geht es für die Erwachsenen wieder an Land, während sich die Jungtiere im Wasser entwickeln und ihren Eltern im Spätsommer folgen. Während der Zeit im Wasser bilden sich dann auch auffallende, visuelle Reize bei den Männchen, beispielsweise der markante Kamm bei Kamm- und Teichmolchen, der beim Wechsel ins Winterversteck an Land dann wieder nahezu vollständig zurückgebildet wird.

In Anbetracht dieser ausgefeilten Mechanismen, die sich über Jahrmillionen entwickelt haben, ist jedes überfahrene Tier umso bedauerlicher. Zumal einige wenige Amphibien, wie der Feuersalamander, durchaus ein Alter erreichen können, das jenes der fahrzeugführenden Person übersteigt.

Neben dem Verkehr geht für wandernde Amphibien auch von Extremwetterereignissen eine zunehmende Gefährdung aus. So können späte und kräftige Wintereinbrüche nach zuvor frühlingshaften Temperaturen die Wanderung abrupt unterbrechen. Die Tiere vergraben sich dann an Ort und Stelle und verfallen zurück in eine Kältestarre, reagieren aber aufgrund des bereits hochgefahrenen Stoffwechsels deutlich empfindlicher auf Frost. In solchen Jahren können ganze Populationen drastisch zurückgehen. Besonders warme Winter verbrauchen mehr Energiereserven, die die Tiere eigentlich für ihre Wanderung und Fortpflanzung vorgesehen haben. Auch anhaltende Trockenheit, wie jetzt zuletzt im März, verzögert die Wanderung zusätzlich. Da Amphibien auf eine konstant feuchte Haut angewiesen sind, um Austrocknung zu vermeiden, die Hautatmung zu erleichtern und die Wasseraufnahme zu ermöglichen, kann fehlende Feuchtigkeit für sie besonders kritisch werden. Die besten Bedingungen für die Wanderung herrschen in windstillen, milden Nächten nach kräftigem Regen. Unter diesen Bedingungen kann es vorkommen, dass in einer einzigen Nacht Hunderte Tiere in den Eimern landen.

Wer sich beim Amphibienschutz ehrenamtlich vor Ort engagieren möchte, meldet sich beim FUN (fun@fun-hondelage.de oder 05309-93 98 267). Jede helfende Hand ist willkommen.

Sven Gippner